Palantir Technologies Inc.: Zwischen Datenmacht und Überwachung?

© Palantir Technologies Inc.

Obwohl Palantir offiziell im Mai 2003 inkorporiert wurde, gehen viele Quellen davon aus, dass die operative Gründung erst 2004 erfolgte – durch Peter Thiel, Alex Karp, Joe Lonsdale, Stephen Cohen und Nathan Gettings. Vier der fünf Gründer hatten zuvor bei PayPal gearbeitet – ein Netzwerk aus FinTech-Veteranen, Investoren und politischen Strippenziehern, das Palantir von Beginn an prägte.

Gründer und heutiger Chairman Peter Thiel blieb stets der dominierende Anteilseigner – und damit auch politischer und ideologischer Taktgeber. Schon 2014 war er größter Einzelaktionär und prägte das Unternehmen nicht nur finanziell, sondern auch strategisch in seiner klar rechts-libertären Ausrichtung.

Mit enger Anbindung an US-Geheimdienste – einer der ersten Geldgeber war In-Q-Tel, die Investmentgesellschaft der CIA – war Palantirs Ausrichtung auf sicherheits- und geopolitische Interessen von Anfang an festgeschrieben. Thiel ist dabei weit mehr als ein Tech-Unternehmer: Er sieht sich selbst als „Contrarian“, also als jemand, der bewusst gegen den Mainstream denkt – oft aus Prinzip. In Stanford gründete er schon als Student eine konservative Zeitschrift, um gegen das liberale Meinungsklima zu opponieren.

Diese Haltung zeigt sich auch politisch: Thiel finanzierte 2016 Donald Trumps Wahlkampf, saß zeitweise als Berater im Weißen Haus und unterstützte danach mit Millionenbeträgen Kandidaten wie JD Vance oder Blake Masters – beide mit enger Verbindung zu Palantir. Laut Journalist Christian Schiffer träumt Thiel von einer Welt, in der „große Männer“ – so sein Begriff – die Gesellschaft prägen, ohne sich um demokratische Schranken kümmern zu müssen.

Palantir war von Beginn an mehr als nur Software – Kritiker sehen darin ein strategisches Werkzeug zur Neugestaltung staatlicher Macht. In der Trump-Ära baute Thiel ein politisch-technologisches Netzwerk auf, das Kontrolle als Effizienz verkaufte. Gleichzeitig arbeitete Palantir eng mit der US-Einwanderungsbehörde ICE (unter dem Dach von Homeland Security) zusammen – laut Berichten nutzte ICE Palantir, um Migrant:innen ohne Papiere aufzuspüren, darunter auch Kinder.

Diese Nähe zu Macht und Einfluss endet nicht an der US-Grenze. Palantir-CEO Alexander Karp, seit 2018 auch im Aufsichtsrat der Axel Springer SE – einem der einflussreichsten Medienhäuser Deutschlands – macht keinen Hehl daraus, wie weitreichend Palantirs Technologie eingesetzt werden kann. In einem Interview sagte er: „Unser Produkt kann zum Töten von Menschen eingesetzt werden“. Eine Aussage, die nicht nur schockiert, sondern auch zeigt, wie brandgefährlich es ist, Palantir als bloßes „Analysewerkzeug“ zu betrachten.

Für die einen ist Palantir eine unverzichtbare Sicherheitsplattform – Kritiker hingegen sehen darin ein trojanisches Pferd, das staatliche Kontrolle privatisiert und demokratische Prozesse durch intransparente Technologie ersetzt.

Vom CIA-Projekt zur globalen Datenmacht

Palantir Technologies Inc. wurde 2003 mit einem klaren Ziel gegründet: Werkzeuge zu entwickeln, mit denen Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden gigantische Datenmengen nicht nur speichern, sondern gezielt durchleuchten können – ein digitaler Geheimdienstassistent im Zeitalter nach 9/11. Finanziert durch In-Q-Tel, dem Venture-Arm der CIA, war Palantirs Ausrichtung auf nationale Sicherheitsinteressen nicht zufällig, sondern strategisch angelegt. Die Idee: Aus der unüberschaubaren Datenflut der Überwachung sollte durch softwaregestützte Mustererkennung verwertbare Information entstehen – nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern auch zur Verhaltensprognose und Kontrolle.

Was als Geheimtipp für Nachrichtendienste begann, ist heute ein globaler Softwarekonzern mit beachtlichem Einfluss auf Wirtschaft, Verwaltung und Militär. Palantir hat seine Fähigkeiten über die Jahre massiv erweitert – nicht nur technisch, sondern auch geopolitisch. Der Börsengang 2020 markierte mehr als einen finanziellen Meilenstein: Er katapultierte ein Unternehmen mit Wurzeln in der geheimdienstlichen Überwachungstechnologie mitten in die zivile Infrastruktur. Und damit auch ins Zentrum der Kritik.

Denn mit wachsender Sichtbarkeit kamen unbequeme Fragen: Wie viel Macht darf ein privater Anbieter über sicherheitsrelevante Daten gewinnen? Wer kontrolliert die Algorithmen, die immer häufiger operative Entscheidungen vorbereiten – ob in der Polizei, im Gesundheitswesen oder sogar auf dem Schlachtfeld?

Technologisch basiert Palantirs Plattform auf vier Kernkomponenten: Gotham (für den sicherheitskritischen Bereich), Foundry (für wirtschaftlich-strategische Analysen), Apollo (für den Betrieb in hochkomplexen Umgebungen) und AIP – die jüngste und wohl umstrittenste Erweiterung, die Künstliche Intelligenz tief in Entscheidungsprozesse integriert. Zusammen bilden sie ein geschlossenes Ökosystem, das nicht nur analysiert, sondern zunehmend auch handelt. Ein System, das immense Effizienz verspricht – aber eben auch zentrale Macht in wenigen Händen konzentriert.

Was genau ist Palantir – und was kann es?

Palantir ist im Kern eine Plattform für die Verknüpfung, Analyse und Visualisierung großer, komplexer und oft unstrukturierter Datenmengen. Es geht dabei nicht nur um das Zusammenführen verschiedener Quellen – sondern darum, aus dieser Datenflut in Echtzeit verwertbare Erkenntnisse zu ziehen. Sei es zur Aufdeckung krimineller Netzwerke, zur Optimierung industrieller Prozesse oder – besonders heikel – zur Prognose menschlichen Verhaltens. Denn genau hier verschwimmen die Grenzen zwischen Analyse, Steuerung und Kontrolle.

Das Produktportfolio besteht aus vier zentralen Plattformen, die einzeln oder im Zusammenspiel eingesetzt werden – und dabei ganze Organisationen technologisch umkrempeln:

  • Palantir Gotham wurde speziell für Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste entwickelt. Es hilft, Zusammenhänge zwischen Personen, Orten, Ereignissen und Zeitpunkten sichtbar zu machen – ein Traum für Ermittler, ein Albtraum für Datenschützer. Denn Gotham operiert nicht selten auf Basis von Verknüpfungslogik, die Verdachtsmomente algorithmisch erzeugt – ohne dass Betroffene davon erfahren oder sich wehren können.

  • Palantir Foundry richtet sich an Unternehmen und Organisationen aus Wirtschaft, Industrie und Gesundheitswesen. Hier geht es um Prozessoptimierung, Automatisierung und datengetriebene Entscheidungen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Wer die Entscheidungslogik nicht nachvollziehen kann, handelt schnell im Vertrauen auf eine Blackbox – mit unklarer Verantwortlichkeit bei Fehlern oder Verzerrungen.
  • Palantir AIP (Artificial Intelligence Platform) ist die jüngste Erweiterung und zugleich die umstrittenste: Sie erlaubt es, KI-Agenten zu definieren, die Risiken erkennen, Prozesse steuern oder Empfehlungen geben. Palantir spricht von Governance und Nachvollziehbarkeit – doch wie nachvollziehbar kann eine KI sein, die in Echtzeit Entscheidungen trifft, die tief in operative Abläufe – und in manchen Fällen sogar in Leben und Tod – eingreifen?
  • Palantir Apollo fungiert als technisches Rückgrat für die anderen drei Systeme und sorgt für einen stabilen Betrieb in hochkomplexen, oft sicherheitskritischen IT-Umgebungen. Wer Apollo einsetzt, verlagert zentrale Steuerungsfunktionen an einen externen Anbieter – mit allen Abhängigkeiten, die das mit sich bringt.

Die technologische Basis von Palantir ist dabei ebenso beeindruckend wie umstritten: Statt Daten zentral zu migrieren, werden sie per Konnektor in ein einheitliches semantisches Modell eingebunden – ein Ansatz, der enorme Analysepower entfesselt, aber auch tief in bestehende Systeme eindringt. Was wie technologische Effizienz klingt, ist in Wahrheit ein strategisches Modell: Palantir macht sich unersetzlich, indem es sich überall einklinkt – ohne dass seine Kunden je vollständig unabhängig werden.

Künstliche Intelligenz als Machtinstrument

Seit 2023 hat Palantir seine Produktstrategie konsequent auf Künstliche Intelligenz ausgerichtet. Die „Artificial Intelligence Platform“ (AIP) bildet dabei nicht nur ein neues Feature, sondern das zentrale Element eines Paradigmenwechsels: Ziel ist es, Large Language Models (LLMs) und andere KI-Module direkt in operative Prozesse einzubetten – etwa bei der militärischen Zielplanung, der industriellen Steuerung oder bei Echtzeitentscheidungen in Verwaltungen und Krisenlagen.

Palantir verkauft diese Strategie als Fortschritt: produktionsreife, überprüfbare und einsatzfähige KI, ergänzt durch Sicherheitsmechanismen, Governance-Strukturen und angebliche Nachvollziehbarkeit. Doch genau hier liegt das Problem: Wenn KI-Agenten über Leben, Ressourcen und Infrastruktur mitentscheiden, stellt sich die Frage, wer diese Entscheidungen kontrolliert – und ob das überhaupt noch möglich ist.

In sicherheitskritischen Bereichen – etwa bei militärischen Operationen – bedeutet „Echtzeit“ oft auch: keine menschliche Prüfung, keine parlamentarische Kontrolle, keine Revisionsmöglichkeit. Wer darf Einsicht in die Entscheidungslogik eines KI-Agenten nehmen, der einen Luftschlag vorschlägt oder die Evakuierung eines Gebiets auslöst? Wer haftet, wenn sich die Maschine irrt?

Hinzu kommt: Palantirs Versprechen von Nachvollziehbarkeit und Governance bleibt vage. Kritiker bemängeln, dass die KI-Module nur schwer extern auditierbar sind – und dass das Unternehmen selbst bestimmt, was als „nachvollziehbar“ gilt. Intransparent bleibt auch, woher die Trainingsdaten stammen, welche ethischen Standards gelten und wie Interessenkonflikte ausgeschlossen werden sollen – besonders bei militärischen oder politischen Anwendungen.

Beunruhigend ist, dass Palantirs KI nicht in der Testphase verharrt, sondern längst im Einsatz ist: In der Ukraine nutzt die Armee Palantirs Software zur Zielerfassung und Lageanalyse. NATO hat Palantirs KI-basierte Militärplattform kürzlich offiziell übernommen. Und das US-Verteidigungsministerium hat sein Budget für das „Project Maven“ – ein KI-System zur Gefechtsfeldanalyse – auf über 1,3 Milliarden US-Dollar aufgestockt, mit Palantir als Hauptauftragnehmer.

Damit verschwimmt endgültig die Grenze zwischen privater Softwareentwicklung und staatlicher Entscheidungsmacht. Die Frage ist nicht mehr, ob Palantir Einfluss auf operative Entscheidungen nimmt – sondern, wie tief dieser Einfluss bereits reicht. Und wer ihn, wenn überhaupt, noch kontrollieren kann.

Datenintegration oder Kontrollinfrastruktur?

Einer der größten technologischen Vorteile von Palantir liegt in seiner Fähigkeit, unterschiedlichste Datenquellen zu integrieren – von klassischen SQL-Datenbanken über unstrukturierte Textdokumente bis hin zu Echtzeitdaten aus Sensoren, Kameras oder Social Media. Daraus entsteht ein einheitliches semantisches Modell, das reale Objekte wie Personen, Fahrzeuge, Ereignisse oder Transaktionen abbildet – ein digitales Abbild der Welt, das sich kontinuierlich aktualisiert und durchsuchbar bleibt.

Was im klassischen BI-Umfeld oft wie technische Effizienz klingt, ist in Wahrheit ein radikaler Zugriff auf die Wirklichkeit: Palantir schafft ein System, das Daten nicht nur verknüpft, sondern Menschen und Zusammenhänge algorithmisch interpretierbar macht. Besonders in sicherheitsbehördlichen Kontexten kann daraus eine Logik entstehen, die aus Wahrscheinlichkeiten Verdachtsmomente macht – und aus Datenprofilen Handlungsempfehlungen, die nie demokratisch legitimiert wurden.

Die Plattform erlaubt nicht nur einfache Abfragen, sondern unterstützt komplexe Analysen über Zeit, Raum und Ereignisketten hinweg. Mit interaktiven Dashboards, Visualisierungen und Netzgraphen können Nutzer Hypothesen prüfen, Muster erkennen oder Verbindungen rekonstruieren – auch dort, wo zuvor keine offensichtlichen Zusammenhänge bestanden. Gerade diese Fähigkeit zur „Verknüpfung des Verborgenen“ macht Palantir für Polizei, Militär und Nachrichtendienste so attraktiv – aber genau hier liegt auch das demokratische Risiko.

Denn: Wer Zugriff auf alle Datenpunkte hat und daraus narrative Zusammenhänge konstruiert, hat nicht nur ein Analysewerkzeug – sondern eine Interpretationsmacht. Und diese liegt bei Palantir – nicht bei einer unabhängigen Instanz, nicht bei der Justiz, nicht bei der Öffentlichkeit.

Dass die Benutzeroberfläche auch für Analyst:innen ohne Programmierkenntnisse zugänglich ist, mag ein Vorteil sein – es senkt die Schwelle zur Nutzung. Aber es erhöht auch die Gefahr, dass komplexe, algorithmisch verdichtete Datenbilder unkritisch übernommen werden. Denn was einfach aussieht, ist nicht immer transparent – vor allem, wenn man nicht weiß, welche Annahmen, Gewichtungen oder Filter im Hintergrund aktiv sind.

Sicherheit, Compliance und Governance – wirklich unter Kontrolle?

Palantir betont regelmäßig seine hohen Sicherheitsstandards: Zugriffskontrollen, Audit-Logs, Datenherkunft, Verschlüsselung. Auf dem Papier klingt das solide – vor allem für Branchen mit strengen Auflagen.

Doch die Frage bleibt: Wer kontrolliert diese „Governance“? Die Regeln definiert Palantir selbst. Externe Prüfungen oder transparente Einblicke in Entscheidungslogiken? Fehlanzeige.

Gerade in Europa, wo Datenschutz ein Grundrecht ist, reicht ein Verweis auf „lokale Anpassbarkeit“ nicht aus. Palantirs enge Verbindungen zu US-Geheimdiensten und das amerikanische Sicherheitsverständnis stehen oft im Widerspruch zu europäischen Rechtsstandards. Kritiker warnen deshalb vor einem Scheinschutz: Die Daten bleiben lokal – die Logik der Auswertung aber global und undurchsichtig.

Jüngstes Beispiel: Das Bundesverfassungsgericht erklärte Teile des Palantir-Einsatzes durch deutsche Landespolizeien für verfassungswidrig – wegen fehlender Kontrolle und zu weitreichender Datenverarbeitung.

Wer nutzt Palantir – und wofür?

Palantirs Software ist längst nicht mehr auf Geheimdienste beschränkt – der Einsatz reicht tief in zivile Bereiche hinein. Einige Beispiele zeigen, wie weitreichend der Einfluss bereits ist:

  • Geheimdienste & Sicherheitsbehörden: Die NSA, das FBI und Polizeibehörden in Europa nutzen Gotham zur Netzwerkaufdeckung und Terrorabwehr. Kritisch ist dabei nicht nur der Zweck – sondern der Mangel an Transparenz und demokratischer Kontrolle bei der Datenauswertung.

  • Gesundheitswesen: Während der Corona-Pandemie arbeitete der britische Gesundheitsdienst NHS mit Palantir, um Krankenhauskapazitäten zu planen. Der Deal war heftig umstritten: Patientendaten in den Händen eines US-Sicherheitsdienstleisters? Viele sahen darin einen Dammbruch.
  • Finanzindustrie: Banken und Versicherungen setzen Palantir zur Bekämpfung von Geldwäsche und für Risikoanalysen ein. Auch hier stellt sich die Frage: Wie nachvollziehbar sind Entscheidungen, wenn sie auf schwer einsehbaren Modellen basieren?
  • Industrie & Logistik: Konzerne wie Airbus, Ferrari oder BP nutzen Foundry zur Produktions- und Wartungssteuerung. Effizienzgewinne ja – aber auch Abhängigkeit von einem Anbieter, dessen System tief in alle Prozesse eingreift.
  • Staatliche Stellen & NGOs: UN-Organisationen und Städte setzen Palantir bei Kriseneinsätzen ein. Doch wer entscheidet, welche Daten wie priorisiert werden – und mit welchen politischen Implikationen?
  • Verteidigung & Rüstung: AIP spielt eine zentrale Rolle bei taktischen Entscheidungen und Zielbewertungen. In der Ukraine kommt Palantir bereits zum Einsatz – mit KI-gestützten Empfehlungen für reale Kampfsituationen. Das wirft Fragen auf, wie privat entwickelte Algorithmen über Leben und Tod mitentscheiden.

Stärken – und strukturelle Risiken

Palantir gilt für viele als „Goldstandard“ unter den Datenplattformen – technisch nicht ohne Grund:

  • Unterschiedlichste Datenquellen lassen sich ohne zentrale Migration integrieren.

  • Die semantische Datenmodellierung ist flexibel, leistungsfähig – und enorm tiefgreifend.
  • Die Benutzeroberfläche ist visuell stark und auch ohne Programmierkenntnisse bedienbar.
  • Sicherheitsfunktionen wirken auf den ersten Blick umfassend.

Doch genau diese Stärken bergen auch Risiken: Wer Palantir einführt, integriert nicht nur eine Software – sondern eine komplette Logik der Datenauswertung und Entscheidungssteuerung. Der Einstieg ist teuer, die Lernkurve steil, die Bindung ans Ökosystem hoch. Viele sprechen offen von einem Vendor-Lock-in – wer einmal drin ist, kommt kaum wieder raus.

Und datenschutzrechtlich? Auch wenn Palantir betont, keine Daten zu verkaufen, bleibt die Nähe zu Geheimdiensten, Militär und Sicherheitsbehörden ein Kernproblem. Denn wer technisch alles verknüpfen kann, muss nicht verkaufen, um zu kontrollieren. Die Macht liegt nicht im Besitz der Daten – sondern in ihrer Interpretation.

Die entscheidende Frage lautet daher nicht: Wie gut ist Palantir?
Sondern: Wer kontrolliert eine Plattform, die andere kontrollierbar macht?

Börsengang, Business und die Logik der Expansion

Seit dem Börsengang 2020 wächst Palantir kontinuierlich – zuletzt lag der Jahresumsatz bei über 2 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen ist profitabel, international aktiv und drängt in immer mehr Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens vor.

Im Zentrum steht inzwischen die Weiterentwicklung von AIP – Palantirs KI-Plattform, mit der Analyseprozesse automatisiert, Entscheidungsprozesse beschleunigt und operative Abläufe teils autonom gesteuert werden sollen. Besonders im militärischen Bereich, in der Sicherheitsplanung und in sogenannten Smart Cities wird AIP bereits getestet – oft ohne transparente politische Kontrolle.

Der größte Markt bleibt die USA. Doch auch in Europa, dem Nahen Osten und zunehmend in Asien weitet Palantir seinen Einfluss aus – meist über sicherheitsrelevante Großprojekte, Regierungsverträge oder strategische Partnerschaften.

Das Geschäftsmodell ist klar: Kontrolle als Dienstleistung. Was nach technologischer Effizienz klingt, bedeutet in der Praxis: Der Staat outsourct kritische Entscheidungen – und Palantir verdient daran mit.

Umsatzentwicklung und Marktdurchdringung

Die strategische Neuausrichtung auf Künstliche Intelligenz scheint sich für Palantir auch wirtschaftlich auszuzahlen – insbesondere auf dem US-Markt. Laut dem aktuellen Aktionärsbrief vom Mai 2025 zeigen die Zahlen ein deutliches Wachstum in mehreren Bereichen:

Fazit: Eine Plattform mit Potenzial – und einem demokratischen Problem

Palantir ist kein gewöhnliches Softwareprodukt. Es ist eine Plattform, die operative Entscheidungen nicht nur unterstützt, sondern zunehmend selbst strukturiert – mit weitreichenden Folgen für Verwaltung, Militär, Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre technologische Leistungsfähigkeit ist unbestritten. Doch genau darin liegt das Problem.

Denn wer Palantir nutzt, überträgt Verantwortung auf ein System, dessen Logik nicht neutral ist – und dessen Kontrolle nicht in öffentlicher Hand liegt. Datenschutz, Ethik und demokratische Kontrolle sind nicht optional, sondern unverzichtbar. Und genau hier bleibt vieles offen.

Für Staaten und Unternehmen, die Palantir einsetzen, bedeutet das: Sie geben Macht ab. An ein System, das mehr kann als analysieren – nämlich lenken. Die entscheidende Frage ist nicht, was Palantir leistet. Sondern: Wer bestimmt die Spielregeln?

───────────────────────────────────────────────────────

Kritik und Kontroverse: Palantirs Schattenseite

Bei aller technologischen Faszination, die Palantir zweifellos auslöst – das Unternehmen steht seit Jahren im Zentrum massiver Kritik. Und die kommt längst nicht mehr nur von Datenschützer:innen oder Bürgerrechtsgruppen, sondern zunehmend auch aus Wissenschaft, Medien und Parlamenten.

Der Vorwurf ist klar: Palantir verfügt nicht nur über technische Macht, sondern auch über politischen Einfluss – und entzieht sich dabei weitgehend öffentlicher Kontrolle. Was als Werkzeug zur Analyse begann, hat sich zu einer Infrastruktur der Steuerung entwickelt. Und wer solche Systeme betreibt, gestaltet auch das, was später als objektive Entscheidung erscheint.

Zusammenarbeit mit Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden

Die engen Verbindungen zu US-Behörden wie CIA, NSA, FBI und ICE sind gut dokumentiert – und für viele Beobachter:innen der zentrale Kritikpunkt.
Laut offiziellen Berichten und Aussagen von Bürgerrechtsorganisationen wird Palantirs Software in Ermittlungen und datenbasierten Kontrollprozessen eingesetzt – Kritiker sehen darin faktisch eine Infrastruktur für weitreichende Überwachung.
Besonders umstritten: die Beteiligung an Programmen zur Identifikation und Abschiebung von Migrant:innen. Menschenrechtsorganisationen wie die ACLU sprechen in diesem Zusammenhang von einer „digitalen Beteiligung an staatlicher Repression“.

Auch in Europa wird Gotham verwendet – etwa durch deutsche Landeskriminalämter. Problematisch ist dabei vor allem, dass der Einsatz oft ohne parlamentarische Kontrolle oder öffentliche Debatte erfolgt. Hochsensible Polizeiarbeit wird damit auf eine private Plattform ausgelagert – und demokratische Legitimation bleibt häufig unklar.

Intransparente Datenverarbeitung

So mächtig die Plattform auch ist – ihre Funktionsweise bleibt in weiten Teilen undurchsichtig. Kritiker:innen bemängeln seit Jahren, dass unklar bleibt, wie Entscheidungen zustande kommen: Welche Daten werden wie gewichtet? Welche Zusammenhänge konstruiert das System? Und wer kann das überhaupt nachvollziehen?

Gerade im sicherheitsrelevanten Bereich ist diese Intransparenz heikel. Wenn eine Software eine Person als potenzielle Gefahr einstuft, ohne dass die Kriterien offenliegen, ist das nicht nur ethisch bedenklich, sondern rechtsstaatlich problematisch. Ohne Nachvollziehbarkeit entsteht ein blinder Fleck: Nicht die Funktion der Software ist entscheidend – sondern die Frage, ob ihre Logik überprüfbar ist.

Gefahr der Massenüberwachung

„Keine Überwachungsfirma“ – so das eigene Selbstbild. Die technische Realität spricht allerdings eine andere Sprache: Durch die Kombination von Kommunikationsdaten, Bewegungsprofilen, biometrischen Informationen und anderen Quellen lassen sich mit Palantirs Technologie detaillierte Personen- und Gruppenprofile erstellen – in Echtzeit, umfassend und schwer kontrollierbar.

Was als Ermittlungswerkzeug begann, kann so zur Infrastruktur für flächendeckende Überwachung werden. Bereits 2013 warnte Edward Snowden vor dieser Entwicklung: Technologien wie diese ermöglichen es Regierungen, die Bevölkerung in einem nie dagewesenen Ausmaß zu beobachten – oft ohne richterliche Kontrolle oder gesetzlich geregelte Transparenz.

Vendor Lock-in und Abhängigkeit

Die proprietäre Architektur von Palantir sorgt nicht nur für Effizienz – sie schafft auch eine dauerhafte Abhängigkeit. Wer sich einmal für die Plattform entscheidet, bindet sich an Technologie, Support und Preismodell. Besonders für öffentliche Institutionen ist das riskant: Flexibilität, Interoperabilität und digitale Souveränität gehen dabei oft verloren.

Ein späterer Ausstieg ist technisch komplex, wirtschaftlich teuer und politisch heikel. Die Systeme sind tief in bestehende Strukturen integriert – und genau das scheint auch gewollt. Die langfristige Bindung ist kein Nebeneffekt, sondern Teil der Strategie.

Fazit zum Kritikblock: Technologie mit Doppelgesicht

Zweifellos zählt Palantir zu den fortschrittlichsten Analyseplattformen unserer Zeit. Doch mit dieser technologischen Macht entsteht eine Verantwortung, die weit über Technik hinausgeht – es geht um demokratische Kontrolle, Transparenz und politische Legitimation. Das Problem ist nicht nur die Software, sondern das Machtgefüge, in das sie eingebettet ist.

Selbst Palantir-CEO Alexander Karp spricht offen über die Reichweite seiner Technologie. Zitate wie:

„Unser Produkt kann zum Töten von Menschen eingesetzt werden“

„Gegen mich haben Leute protestiert, von denen einige berechtigte Fragen stellten. Ich habe mich auch gefragt, ob ich nicht auch gegen mich protestieren würde, wenn ich jünger wäre“

sind keine Nebensätze – sie sind Warnsignale.

Und doch: Deutschland greift nicht zur Reißleine. Stattdessen importieren wir dankbar die nächste digitale Waffe aus den USA, blind für die Risiken, taub für die Kritik. Wer in diesem Kontext immer noch glaubt, Palantir sei nur ein neutrales Werkzeug, ignoriert, dass wir damit Kontrolle privatisieren und demokratische Prozesse aus der Hand geben.

Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht: Was kann Palantir? Sondern: Wer kontrolliert, was es darf – und was nicht?
Solange darauf keine klare, demokratisch verankerte Antwort existiert, ist jeder Einsatz ein sicherheitspolitisches und ethisches Risiko – und ein weiterer Beweis dafür, dass wir aus Geschichte und Gegenwart nichts gelernt haben.

───────────────────────────────────────────────────────

Quellenangaben:
1. Palantir Technologies Inc.
2. Brief an die Aktionäre
3. Watching you - Die Welt von Palantir und Alexander Caedmon Karp (Doku)